Teilprojekt C8

Beherrschung von Unsicherheit aus dem Blickwinkel des Produktsicherheits- und Produkthaftungsrechts (Product Compliance)

Das Teilprojekt erforscht die rechtlichen Anforderungen, die an innovative, insbesondere selbstständig veränderliche lasttragende Systeme zu stellen sind.

Darüber hinaus untersucht das Teilprojekt, ob sich die selbstständig veränderlichen Systeme sowie zudem resiliente technische Produkte in der Entwicklung und Fertigung in bislang geltende rechtliche Rahmenbedingungen einfügen oder Haftungslücken entstehen lassen, mit deren konzeptioneller Lösung sich das Teilprojekt dann ebenfalls befasst. Zudem geht das Teilprojekt der Frage nach, ob die geltenden Vorgaben zur Produktsicherheit um eine Sabotagefestigkeit (security) zu erweitern sind.

Das Produktsicherheitsrecht hat in jüngster Zeit deutlich an Bedeutung gewonnen: Eine wachsende Zahl von Rückrufaktionen und die laufende Verschärfung von Vorgaben auf EU-Ebene haben den Stellenwert der Product Compliance sowohl in den fertigenden Unternehmen als auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung erhöht. Hier wird die Relevanz unseres Vorhabens verdeutlicht.

Fehler in der Entwicklung und Produktion stellen ein Risiko für jedes Unternehmen dar. Es ist daher unumgänglich, bei der Entwicklung, Konstruktion und Produktion die rechtlichen Anforderungen an ein Produkt zu berücksichtigen, um eine Haftung und einen Reputationsschaden zu vermeiden. Nach § 3 Abs. 1 ProdHaftG hat ein Produkt dann einen Fehler, wenn es nicht jene Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände erwartet werden kann. Die berechtigte Sicherheitserwartung setzt voraus, dass ein Produkt unter Beachtung der Gebrauchs- oder Installationsanleitung bei bestimmungsgemäßer Nutzung (intended use) oder vorhersehbarem Fehlgebrauch (forseeable misuse) gefahrlos verwendet werden kann. Die zu den Verkehrssicherungspflichten zählende Konstruktionspflicht verlangt von den Herstellern, nach dem Stand von Wissenschaft und Technik jene Sicherheit zu bieten, die nicht mehr von einem seriellen Alternativ-Design übertroffen werden kann. Dabei soll der Hersteller bereits im technischen Design auch Verhaltensweisen außerhalb der gewollten Verwendung in seine Konstruktionsüberlegungen mit einbeziehen. Diese Verantwortung geht nach derzeitiger Rechtsprechung bis an die Grenze der versehentlichen Fehlanwendung; ein missbräuchlicher Gebrauch liegt nicht mehr in der Verantwortung des Produzenten.

Vor dem Hintergrund lernender bzw. generell selbstständig veränderlicher Systeme, also der zunehmenden Verflechtung von Produktionsabläufen und Informationstechnik, stellt sich allerdings die Frage, ob angesichts der zunehmenden Gefahr von IT-Angriffen neben die Produktsicherheit von innen auch eine Produktsicherheit von außen treten muss – ob Produkte also neben der inneren Sicherheit (safety) zusätzlich eine Sabotagefestigkeit (security) besitzen müssen, die man als Resilienz bezeichnen kann.

Zu dieser Frage besteht noch ein sehr weitgehender Forschungsbedarf, der einen interdisziplinären Austausch zwischen dem Maschinenbau und den Rechtswissenschaften erfordert, welcher im Rahmen unserer Forschung geleistet werden soll.

Zudem werfen selbstständig handelnde und mit ihrer Umwelt interagierende technische Systeme neue und noch unbeantwortete Rechtsfragen im Bereich der Produkt- und Produzentenhaftung auf. Der zunehmende Grad an Vernetzung und die stetig wachsende Komplexität und Prozessgeschwindigkeit machen eine klare Zuordnung einzelner Tatbestandsmerkmale zumindest schwieriger. Ab einem bestimmten Grad der Autonomie lässt sich unter Umständen nicht mehr mit Sicherheit zurückverfolgen, ob Erklärungen oder Handlungen, die durch ein System erzeugt wurden, vom Nutzer dieses Systems stammen und ihm zurechenbar sind.

Der fehlende erkennbare Kausalzusammenhang erzeugt im Haftungsrecht Probleme: Selbstständig veränderliche technische Systeme finden schließlich nicht nur in der Automobilindustrie Einsatz, sondern gerade auch in zahlreichen weiteren Feldern des Maschinenbaus, die nicht von einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung erfasst sind. Ist ein erlerntes Verhalten des Systems für den Verwender nicht vorhersehbar, wird man ihm kein Verschulden vorwerfen können. Damit erlangen auch Fragestellungen zur zivilrechtlichen Haftung neue Bedeutung.

[1] Wendt, Janine; Oberländer, Marcel: Product Compliance: Neue Anforderungen an sichere Produkte. In: Zeitschrift für Energie- und Technikrecht – ZTR 2/2016, 62-70

[2] Wendt, Janine; Oberländer, Marcel: Produkt- und Produzentenhaftung in Bezug auf selbstständig veränderliche Systeme – Ein Überblick. In: Zeitschrift für Innovations- und Technikrecht – InTeR 2/2016, 58-65

Teilprojektleiter

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Prof. Dr. iur. Janine Wendt